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Ende Juli veröffentlichte die US-Regierung mit dem „AI Action Plan“ ihre Ziele hinsichtlich der Förderung von Künstlicher Intelligenz (KI) in den kommenden Jahren. Die Vereinigten Staaten befänden sich in einem Wettlauf um die globale Vorherrschaft im Bereich KI, und es sei unerlässlich, diesen – genauso wie einst den Wettlauf ins All – zu gewinnen und eine unanfechtbare technologische Dominanz zu erreichen, so Präsident Trump.
Die dafür vorgesehene Strategie steht auf drei Säulen: Zum einen ist ein gezielter Aufbau einer nationalen KI-Infrastruktur durch massive Investitionen in Rechenzentren, Energieversorgung und Halbleiterindustrie vorgesehen. Auch die Qualifizierung von Fachkräften soll intensiv gefördert werden – etwa durch Weiterbildungsprogramme für Beschäftigte. Damit sollen durch den KI-Einsatz auch neue, gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Zweitens geht es um den Aufbau eines dynamischen KI-Ökosystems zur Beschleunigung von Innovation in Wissenschaft und Wirtschaft. Und drittens soll mit einer strategischen „AI Diplomacy“ die Verbreitung amerikanischer KI-Systeme, Computerhardware und Standards weltweit vorangetrieben werden, um eine Technologieführerschaft auf internationaler Ebene zu erlangen.
Als zentral gilt dabei ein zügiger Abbau von Regulierung, die nach Ansicht des US-amerikanischen AI Action Plan als innovationshemmend gilt. So werden u. a. Verfahren zur Korrektur von Verzerrungen außer Kraft gesetzt und Vorgaben zur Vermeidung von Fehlinformationen, zur Gewährleistung von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion sowie zur Adressierung des Klimawandels aufgehoben.
Regulierung und Innovation als strikter Gegensatz – ist das wirklich eine hilfreiche Perspektive auf eine Technologie, die so divers eingesetzt werden kann und unsere Arbeits- und Lebenswelt weitreichend und mitunter auch disruptiv verändern wird? Die wissenschaftliche Forschung sagt uns, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Gute und sinnvolle Rahmenbedingungen, die auch Ergebnis gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse sind, fördern Innovationen, indem sie Rechtssicherheit und eine für alle Marktteilnehmer gleiche Ausgangslage schaffen. Damit wird es für Unternehmen und andere Innovatoren, etwa aus der Zivilgesellschaft, leichter, die Chancen von KI für mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung und Wohlstand zu nutzen.
Wie wichtig handhabbare Regeln und klare Normen in der digitalen Arbeitswelt sind, zeigt sich auch an den jüngsten Entwicklungen in der Plattformwirtschaft. So hat sich laut einem Bericht des internationalen Forschungsnetzwerks Fairwork die Lage von Plattformtätigen, die in Deutschland für Liefer- und Fahrdienste tätig sind, deutlich verschlechtert. Der Grund: Wie die aktuelle Entlassungswelle von Kurieren bei einem großen Essenslieferdienst zeigt, werden die Kuriere zunehmend nicht mehr direkt von den Plattformen, sondern von Vermittlern und Subunternehmen angestellt. Dort finden sie häufig schlechtere Arbeitsbedingungen vor. Dieses Vermittler- bzw. Subunternehmermodell ist auch bei plattformbasierten Fahrdiensten in Deutschland Standard.
Gute Arbeitsbedingungen müssen aber auch für Plattformtätige gewährleistet sein. Mit diesem Ziel haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf die EU-Plattformrichtlinie verständigt, die Ende 2024 in Kraft getreten ist. Derzeit arbeitet das BMAS an der Umsetzung der EU-Plattformrichtlinie in nationales Recht.
Beide Entwicklungen – in den USA, aber auch hier in Deutschland – zeigen, wie wichtig es ist, gesellschaftliche Werte wie Gerechtigkeit, Teilhabe, Sicherheit und Transparenz bei der Gestaltung des technologischen Wandels zu berücksichtigen. Nur so kann KI zum Wohle möglichst vieler und nicht einiger weniger genutzt werden.
Eine informative Lektüre wünscht
Ihr Team der Abteilung Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft
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